Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Die heutige Evangeliumslesung ist uns seit unserer Kindheit vertraut: Zehn Aussätzige begegnen Christus und rufen Ihm zu: «Jesus, Meister, erbarme dich unser!» (Lk 17,13). Der Herr sendet sie, sich den Priestern zu zeigen, und unterwegs werden alle zehn rein. Doch dann geschieht etwas, das diese Erzählung so aufrüttelnd macht: Nur einer der Geheilten kehrt zurück, um Gott die Ehre zu geben. Und dieser ist ein Samariter.
Der Herr entzieht den anderen neun nicht die Gabe der Heilung. Die Gnade Gottes wird nicht wegen menschlicher Vergesslichkeit oder Undankbarkeit zurückgenommen. Er bestraft die neun nicht, sondern fragt nur: «Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun?» (Lk 17,17). Diese Frage ist nicht einmal ein Vorwurf, sondern eher ein stilles, fast trauriges Befremden.
Und sie ist der Spiegel, in den auch wir heute blicken müssen. Hand aufs Herz: Meistens gehören wir gerade zu jenen neun. Ja, sie waren Juden, und wir sind orthodoxe Christen. Sie hatten den «richtigen Glauben» durch ihre Zugehörigkeit, und wir haben den rechten Glauben durch unser Bekenntnis. Doch das erweist sich als ungenügend, um orthodox im vollen Sinne des Wortes zu sein – wir bleiben damit bloß «richtiggläubig» wie jene neun geheilten Aussätzigen.
Denn Orthodoxie ist nicht allein das Wissen darüber, an Wen wir glauben, sondern auch, wie wir vor Ihm leben. Es ist die Dankbarkeit gegenüber Gott für alles Empfangene und ein Leben, das zur Verherrlichung Gottes des Schöpfers wird. Nicht von ungefähr bedeutet das Wort «Orthodoxie» selbst «rechter Lobpreis». Wir wissen aus der heiligen Kirche, wer Gott und Schöpfer aller Dinge ist – und sind deshalb berufen, so zu leben, dass wir Ihm mit unserem ganzen Leben Ehre geben können.
Die geistliche Gefahr der Undankbarkeit und Gottvergessenheit war schon in der frühen Zeit des Alten Testaments wohlbekannt. «Wenn du dann ißt und satt wirst», sagt der Prophet Mose, «und schöne Häuser baust und darin wohnst (…) und dir alles in reichem Maße zuteil wird – dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, nicht vergißt» (Dtn 8,12-14). Die verhängnisvolle Gottvergessenheit beginnt nicht in der Not, sondern meist nach empfangener Gabe – dann, wenn der Mensch etwas erhalten hat, weggeht und nicht zurückkehrt.
Und hierin liegt die besonders ernüchternde Botschaft der heutigen Evangeliumsepisode. Der Fremde, der Andersgläubige, der Samariter, erwies sich als «orthodoxer» als die Rechtgläubigen, aber Undankbaren. Er nahm die Gabe nicht nur an – er kehrte zum Geber zurück. Er blieb nicht bei der Heilung stehen – er gab Gott die Ehre. Und bewies auf diese Weise einen errettenden Glauben.
Darum müssen wir stets bedenken: Orthodox zu sein bedeutet nicht nur, Gott recht zu bitten, sondern Ihm auch zu danken; und nicht nur zu danken, sondern Ihn auch dann zu verherrlichen, wenn wir Ihn um nichts mehr bitten und für nichts Konkretes mehr danken, sondern uns einfach am Schöpfer und an Seiner Schöpfung erfreuen. Darin besteht die Orthodoxie, und davon spricht die heutige Episode aus dem Evangelium. Denn ausgerechnet zum Samariter, dem scheinbar Andersgläubigen, sagt der Herr: «Dein Glaube hat dich gerettet» (Lk 17,19).
Er kannte nicht die Fülle der Offenbarung, aber er erkannte die Quelle der Gabe und kehrte zu ihr zurück. Seine Dankbarkeit und seine Lobpreisung des Schöpfers wurden vom Herrn als wahrer Glaube angenommen und wurden ihm zum Heil. So wurde er nicht «trotz seiner Unwissenheit» gerettet, sondern aufgrund seiner Demut und der Liebe zu Gott, die höher stehen als bloßes Wissen.
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! Lasst uns darum ringen, nicht nur dem Namen nach orthodox zu sein, sondern in der Realität unseres Lebens: Ja, Gott in Not und Bedrängnis um Hilfe rufen, aber auch stets zurückkehren, danken und unserem Schöpfer und Heiland die Ehre geben. Amen.