Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Heute feiert die heilige Kirche das Geburtsfest der Allheiligen Gottesgebärerin – ein Tag, der in den Gesängen als „Anfang unseres Heils“1 bezeichnet wird. Die Freude dieses Festes beschränkt sich nicht auf die Erinnerung an ein Ereignis aus dem Familienleben der gerechten Joachim und Anna, sondern erstreckt sich auf die ganze Geschichte der Menschheit. In der Geburt der Jungfrau Maria eröffnet sich die Möglichkeit der Vereinigung von Himmel und Erde, des Alten und des Neuen Bundes, der Verheißungen der Vorzeit und ihrer Erfüllung in Christus.
Maria wurde im Hause und Geschlechte Davids geboren, um das Bindeglied zwischen Eva und Christus zu werden: Durch Eva kam die Sünde und der Tod in die Welt, und durch Maria tritt Derjenige ein, der Auferstehung und Leben bringt. Sie wird zum Anfang der neuen Menschheit – jener, die nicht aus dem Fleisch, sondern aus dem Hören und Bewahren des Wortes Gottes geboren wird.
Darin liegt die wahre Größe der Gottesgebärerin. Als eine Frau aus der Menge um Jesus rief: „Selig der Leib, der dich getragen hat“, antwortete der Herr: „Selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es bewahren“ (Lk 11, 27-28). So weist Christus Selbst darauf hin, dass die Würde Seiner Allreinen Mutter nicht nur im Gebären, sondern in ihrer Aufmerksamkeit und ihrem Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes liegt. Und damit korrigiert sie Eva: Jene verwarf das Wort Gottes und hörte auf die Schlange, die Jungfrau Maria aber horchte demütig auf das Wort des Herrn und nahm Seinen Willen an.
Der Herr, geboren aus der Allheiligen Jungfrau, tritt in die menschliche Geschichte ein und wird selbst zum Erfüller jenes Gebots, das Er einst dem Mose auf dem Sinai gab: „Ehre deinen Vater und deine Mutter!“ (Ex 20,12). Ohne Zweifel ehrt Christus Seine Allreine Mutter. Und darin liegt der Grund unseres Vertrauens: Wenn wir sagen „Allheilige Gottesgebärerin, rette uns“, bekennen wir den Glauben, dass unser Herr Jesus Christus Seine Mutter hört und auch auf sie hört, die Er selbst verherrlicht und über alle erhöht. Und auch die Heiligen staunten über dieses Geheimnis. Der ehrwürdige Ephräm der Syrer sagt sogar sinngemäß, dass sie, obwohl selbst Geschöpf Gottes, den Sohn Gottes darin unterwies, ein Menschensohn zu sein2.
Bedenken wir dieses Mysterium: Die ganze Welt kann den Schöpfer nicht fassen, doch der Schoß der Jungfrau wird Seine Wohnstätte. Die Hölle, die alle Verstorbenen von Anbeginn der Welt festhielt, vermochte den Sohn Gottes nicht zu halten; aber die Jungfrau Maria fasste Ihn in sich. Sie ist der lebendige Tempel, in dem Gott mit seiner Schöpfung verweilt.
Doch bevor sie zur Mutter des Herrn wurde, war sie das lang ersehnte Kind der gerechten Joachim und Anna. Ihre Geburt ist die Frucht ihres eifrigen Gebets und ihrer Geduld. Bei äußerem Wohlstand hatten sie keine Kinder, und während ihres langen Ehelebens ertrugen sie Schmähungen von ihren eigenen Landsleuten wegen der Kinderlosigkeit, die damals als Zeichen einer Bestrafung durch Gott galt. Sie verzweifelten nicht in ihrem Kummer, sondern legten alles in Gottes Hand, und aus ihrem Glauben wurde diejenige geboren, durch die der Herr in die Welt eintritt.
Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Fest ruft uns zur Freude und zur Hoffnung auf. Denn die Gottesgebärerin ist nicht nur die Allreine Mutter des Herrn, sondern auch unsere Fürsprecherin und unser Trost. Sie kennt die ganze Fülle des menschlichen Lebens, versteht unsere Leiden und Freuden, und als Mutter tritt sie für uns vor ihren Sohn.
Lasst uns also von ihr lernen – das Wort Gottes zu hören, Gott zu vertrauen und Ihm die Treue zu bewahren. Und indem wir auf die heiligen Eltern der Allreinen Jungfrau Maria schauen, lasst uns lernen, geduldig zu sein. In Prüfungen vertrauen wir auf Gott und verlieren die Hoffnung nicht. Wenn aber ein Leid nicht uns, sondern jemand anderen getroffen hat, weisen wir den Gedanken zurück, er werde für seine Sünden bestraft. Dann wird sich auch in unserem Leben das erfüllen, was heute begann – die Geburt einer neuen Hoffnung, der Anfang des Heils, von dem die Kirche an diesem Fest singt.
Allheilige Gottesgebärerin, rette uns! Nochmals beglückwünsche ich alle zu diesem großen Fest. Amen.