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Predigt zum Fest der Entschlafung der Allheiligen Gottesmutter (2025)

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 31

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Wir Orthodoxen gedenken am großen Fest der Entschlafung nichts anderem als dem Tod unserer Allheiligen Gebieterin, der Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria, der allerreinsten Mutter unseres Herrn Jesus Christus. Sie hat, wie jeder Mensch, den Tod gekostet. Aber wir nennen ihr Ende „Entschlafung“ – warum? Denn der Tod ist durch die Sünde in die Welt gekommen, und kein Mensch, auch der Gerechteste nicht, entgeht ihm, diesem „letzten Feind“, wie ihn der Apostel Paulus nennt (1 Kor 15,26).

Aber die Allheilige Gottesgebärerin ist nicht einfach eine der Heiligen, sondern unersetzlich in der Heilsgeschichte. Es ist unmöglich zu sagen, Gott hätte an ihrer Stelle irgendeine andere Frau erwählen können. Sie lebte ein reines und heiliges Leben und hat selbst frei auf den Ruf Gottes geantwortet: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Diese Antwort war der Höhepunkt und die Vollendung des langen Weges, auf dem Gott die Menschheit zu Seiner Menschwerdung geführt hat. Ohne ihre Zustimmung wäre das Heil unerreichbar geblieben. Und als das Wort Gottes Fleisch wurde, wurde sie zur Gottesgebärerin, sie, die den Bezwinger des Todes geboren hat.

Dennoch, da sie Mensch war, stirbt sie – nicht, weil sie Sünde hätte, sondern weil sie die menschliche Natur und somit die Sterblichkeit mit uns teilt. Aber in ihrem Tod gibt es keine Ausweglosigkeit mehr: In ihr verliert der Tod seine Macht.

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Auf der Ikone der Entschlafung stehen die Apostel um das Lager der Gottesgebärerin, und Christus hält ihre Seele, die als neugeborenes Kind dargestellt ist. Dies ist keine Trauerszene, sondern das Bild einer Geburt in das ewige Leben: Diejenige, die der Welt das Leben geboren hat, wird nun selbst geboren in das Reich, in dem es keinen Tod mehr gibt. Darin nimmt sie das Geschick aller Gläubigen voraus – derer, die in Christus in die Ewigkeit hinübergehen. Das Fest der Entschlafung ist ein Zeugnis der Kirche: Der Tod ist nicht mehr die ewige Finsternis, sondern ein Schlaf, aus dem der Herr uns zur Auferstehung weckt.

Der heilige Andreas, Erzbischof von Kreta, der im 8. Jahrhundert lebte, staunte bei seiner Betrachtung darüber: „Ein neuer, bisher unvorstellbarer Anblick: Eine Jungfrau, die an Reinheit die Himmel übertrifft, zieht ein in das himmlische Heiligtum; eine Jungfrau, die durch das Wunder der Gottesgeburt die Natur der Seraphim überragt, naht sich Gott“ (Rede auf die Entschlafung unserer Allheiligen Gebieterin, der Gottesgebärerin). Das heißt, der Mensch – und nicht der Engel – ist zur vollen Vereinigung mit Gott berufen. Die Engel dienen Ihm, aber nur die Menschheit konnte die Gottesgebärerin hervorbringen. In ihr offenbart sich der Ratschluss Gottes über die Menschheit: Er will uns nicht als Knechte und Sklaven sehen, sondern als Söhne und Töchter in Seinem Reich.

Adam nannte Eva die Mutter aller Lebenden – derer, die in die Welt geboren werden und so dem Tod verfallen sind. Eva öffnete durch die Sünde die Tür der Vergänglichkeit für alle ihre Nachkommen. Die Gottesgebärerin aber wurde zur Mutter des Lebens, die Christus geboren hat, der die Ewigkeit schenkt. Wir sterben als Kinder Evas, aber wir erwachen zum Leben als Kinder Marias. In ihr korrigiert die Menschheit den alten Sündenfall: Aus einer Quelle des Todes wird sie, die Menschheit, zu einer Quelle der Unsterblichkeit. Darum ist die Entschlafung nicht einfach Tod, nicht Niederlage, sondern Triumph. „Grab und Tod vermochten die Allreine nicht zu halten“, so singen wir im Kondakion des Festes. Wie von Christus, so kann man auch von ihr mit den Worten des Buches Genesis sagen: „legt sich nieder, um zu schlafen, wie ein Löwe“ (Gen 49,9) – nicht in Ohnmacht, sondern in Kraft, auf die das Erwachen folgt.

Jeder von uns, liebe Brüder und Schwestern im Herrn, steht in Kleinigkeiten oder wichtigen Fragen vor der Wahl, welchen Weg er gehen soll. Möge Gott uns schenken, dass wir uns stets an die heilbringenden Worte der Allreinen Jungfrau erinnern: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Möge der Herr uns eines lebendigen Glaubens, eines reinen Herzens und der Treue zu Ihm würdigen, damit auch uns der Eingang in Sein ewiges Reich offenstehe und wir hören, wie einst Lazarus: „Er ist nicht gestorben, sondern er schläft“ (vgl. Joh 11,11). In Christus ist der Tod wie ein Schlaf, dem die Auferstehung folgt. Allheilige Gottesgebärerin, errette uns alle durch deine heiligen Gebete! Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester