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Predigt zum 12. Sonntag nach Pfingsten (2025)

Mt 19,16-26

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 33

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Das heutige Evangelium lässt uns erneut einen Blick darauf werfen, was es bedeutet, vor Gott vollkommen zu sein. Die Antwort Christi an den Jüngling aus dem Matthäusevangelium zeigt, dass der Weg dazu nicht durch die strikte Befolgung von Regeln, ja nicht einmal der Gebote, erschöpft ist. Die Vollkommenheit entspringt etwas Größerem – aus der Bereitschaft, alles hinzugeben, um Christus nachzufolgen.

Der Jüngling tritt an Christus heran und fragt: «Meister, was soll ich Gutes tun, damit ich das ewige Leben habe?» (Mt 19,16). Der Herr antwortet: «Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote» (Mt 19,17). Doch der Jüngling hakt nach: «Welche?» Auf den ersten Blick seltsam – kannte er denn nicht die zehn Gebote des Mose? In der jüdischen Tradition jedoch wurden aus den fünf Büchern Mose insgesamt 613 Gebote abgeleitet, einschließlich der zehn, die Mose gegeben wurden. Verschiedene Schulen – die Pharisäer, die Sadduzäer – betonten unterschiedliche davon und stuften sie sogar nach ihrer Wichtigkeit ein. Für die Heiden beispielsweise genügten die sieben noachidischen Gebote, um als "gerecht" zu gelten. Daher fragte der Jüngling, nachdem er von der allgemeinen Forderung, die Gebote zu halten, gehört hatte, natürlich nach: Geht es um alle oder um ein bestimmtes Minimum?

Der Herr zählt fünf der Zehn auf – «Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, ehre den Vater und die Mutter» – und fügt hinzu: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» (Lev 19,18). Dieses Gebot ist nicht neu, sondern stammt aus dem Buch Levitikus; aber Christus stellt es auf eine Stufe mit den anderen und zeigt damit, dass die Nächstenliebe keine Beigabe zum Gesetz, sondern sein Herzstück ist.

Der Jüngling versichert: «Das habe ich alles gehalten von Jugend an; was fehlt mir noch?» (Mt 19,20). Da offenbart der Herr den Kern der Sache: «Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!» (Mt 19,21).

Die Sache ist die, dass es in der ganzen Fülle der Gebote gerade solche nicht gibt – den Besitz zu verkaufen, alles den Armen zu geben, Ihm nachzufolgen. Und was der Herr hier zum Jüngling sagt, das ist kein Gebot, sondern eher eine persönliche Empfehlung, denn Er sagte ja: «wenn du vollkommen sein willst, verkaufe deinen Besitz» und so weiter. Der Herr macht damit deutlich, dass man Vollkommenheit nicht erreichen kann, indem man einfach die Gebote erfüllt. Denn was den Menschen zur Vollkommenheit führt, ist kein Gebot aus der Schrift.

Die Gebote sind wichtig als Grundlage: Sie lehren, den Willen Gottes zu tun, ähnlich wie jenes einzige Gebot, das Adam und Eva im Paradies gegeben wurde – nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen (Gen 2,16-17). Dieses einfache Gebot sollte sie an den Gehorsam gewöhnen, in der Liebe zum Schöpfer stärken. Seine Nichtbefolgung führte zu einer Verzerrung der menschlichen Natur. So sind alle Gebote eine Anleitung vom Schöpfer selbst, ohne die der Mensch weder seinen Verstand noch seine Seele richtig heranbilden kann.

Vollkommenheit besteht auch nicht in der Anhäufung guter Taten oder von viel Wissen. Selbst mit dem Fortschritt der Wissenschaften und Künste bleibt Bildung ohne Gottvertrauen leer: Viel im Kopf, wenig im Herzen, und das Leben ändert sich nicht.

Der heilige Apostel Paulus schreibt: «Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts» (1 Kor 13,2); damit deutet er auf dasselbe hin: Alles Wissen, die ganze Fülle des Glaubens, sogar die Gabe der Prophetie machen den Menschen nicht vollkommen oder gottähnlich.

Die Gebote gleichen Gesetzen, die die Ordnung schützen: Ihre Verletzung hat Folgen, aber ihr Befolgen allein macht den Menschen noch nicht vollkommen. Vollkommenheit aber besteht darin, durch den Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes zur Liebe zu gelangen, in der Christus zu unserem einzigen Schatz wird. Darüber wollen wir nachdenken, liebe Brüder und Schwestern, und dessen gewahr werden, dass der reichste oder vollkommenste Mensch derjenige ist, der nichts außer einem Reichtum an Gnade bei Gott und bei den Menschen hat. Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester