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Predigt zum Palmsonntag (2025)

Joh. 12:1-18

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Die Beschreibung des Einzugs unseres Herrn Jesus Christus in Jerusalem findet sich in allen vier Evangelien. Die Evangelisten Matthäus und Johannes weisen ausdrücklich auf die Erfüllung der Prophezeiung des Propheten Sacharja hin…
Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 18

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Die Beschreibung des Einzugs unseres Herrn Jesus Christus in Jerusalem findet sich in allen vier Evangelien. Die Evangelisten Matthäus und Johannes weisen ausdrücklich auf die Erfüllung der Prophezeiung des Propheten Sacharja hin: „Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, demütig und reitend auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin“ (Sach 9,9).

Doch beim heiligen Apostel und Evangelisten Johannes begegnet uns in diesem Bericht etwas Besonderes. Das Volk empfängt Christus mit frenetischem Jubel: man breitet Kleider aus, schneidet Palmzweige ab, ruft und freut sich – wie bei der Ankunft eines Königs. Aber Christus schweigt. Anders als bei den anderen Evangelisten schickt Er nicht einmal Seine Jünger aus, um das Eselsfohlen zu holen – Er „findet“ es einfach. Die Jünger verstehen nicht, was geschieht. Christus steht im Mittelpunkt des allgemeinen Überschwangs – und doch bleibt Er allein, gesammelt, abgewandt von der äußeren Begeisterung. Inmitten dieser lauten und bewegten Szene wird Sein Schweigen umso spürbarer.

In der Alten Kirche war die Große Fastenzeit die Zeit der Vorbereitung der Taufanwärter. Es war eine Periode der Katechese, in der sich alles um die eine entscheidende Frage drehte: „Wer ist Jesus?“ Die Schriftlesungen an den Samstagen und Sonntagen der Großen Fastenzeit aus dem Römerbrief und dem Markusevangelium sind gerade auf diese Frage hin ausgerichtet.

Zum Palmsonntag sollten die Katechumenen bereits fest entschlossen sein, Christus nachzufolgen. Doch vor ihnen lag noch eine harte Lektion: Christus zu folgen bedeutet nicht nur, Seine Herrlichkeit zu teilen, sondern auch, das Kreuz zu tragen. Es ist ein Weg des Leidens, der Selbstverleugnung, ja, des Sterbens. Es ist die Prüfung unseres Glaubens: Haben wir den wahren Messias erkannt? Warum leiden wir, wenn wir Ihm nachfolgen? Warum braucht es überhaupt Selbstverleugnung?

Selbst die engsten Jünger nahmen die Worte des Herrn über Sein Leiden nicht an. Sie wollten Ihn zurückhalten, widersprachen Ihm, wollten nicht glauben, was Er sagte. Und auch wir handeln oft ähnlich. Manche von uns werden sich drücken – sie werden den langen, beschwerlichen Gottesdiensten der Karwoche fernbleiben. Andere werden ihre alltäglichen Beschäftigungen vorziehen – Arbeit, Vergnügungen, eigene Pläne. Wieder andere kommen erst ans leere Grab und vermeiden so das Kreuz. Manch einer will nur die Herrlichkeit der Auferstehung – nicht aber den Kampf, der diesen Sieg erst einbringt. Manch anderer möchte noch ein stiller Jünger sein, solange nichts von ihm gefordert wird: keine Umkehr, kein Opfer, keine Selbsthingabe. Doch die bevorstehende Treueprüfung betrifft uns alle.

Der heilige Apostel Paulus ruft uns im heutigen Lesungstext zu: „Freut euch im Herrn allezeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! … Der Herr ist nahe“ (Phil 4,4‑5). Diese Freude erwächst nicht aus der Leichtigkeit des Wegs, sondern aus der Nähe des Erlösers. Er hat uns kein Leben ohne Leid verheißen – aber Er hat versprochen, mit uns zu sein. Sein Schweigen bedeutet nicht Abwesenheit – im Gegenteil: In diesem Schweigen liegt die Tiefe Seiner Liebe, die zum Kreuz führt, und die Kraft, die zur Auferstehung trägt.

Der Evangelist Johannes bemerkt, dass die Menschen nicht nur Jesus sehen wollten, sondern auch Lazarus, den Er von den Toten auferweckt hatte (Joh 12,9). Das Bild des Lazarus ist das Bild jedes Einzelnen, den Christus zu neuem Leben erweckt hat. Menschen kommen, um zu sehen, was Christus in unserem Leben gewirkt hat. Ja, auch sie wollen Jesus sehen und erfahren, wer Er ist. Doch nicht immer lässt sich Christus unmittelbar finden – wohl aber kann man jene sehen, die Ihn „Herr“ nennen. Die, die noch nicht glauben, schauen auf uns – auf die, die bezeugen, dass Christus ihnen durch die Taufe und die heiligen Mysterien ein neues Leben schenkt. Manche wollen erfahren, ob es Christus wirklich gibt – und ihre einzige Möglichkeit ist es, auf uns zu schauen.

So fragen wir uns: Welchen Platz werden wir einnehmen? Werden wir heute in der Menge um Christus rufen und jubeln, doch morgen schon wieder gehen – unseren alltäglichen Geschäften nach? Oder werden wir still und gesammelt auf Sein heiliges Antlitz schauen und Ihm folgen – auf dem Weg der Prüfung unseres Glaubens?

Liebe Brüder und Schwestern, wir wissen, warum Christus schweigt. Er betritt den Weg, der zum Kreuz führt. Wenden wir Ihm unsere ganze Aufmerksamkeit zu – mit Mitgefühl, mit Gebet. Wenn wir die kommenden Tage betrachten, versuchen wir, wenigstens einen kleinen Teil des großen Werkes unserer Erlösung zu erfassen. Der heilige Apostel Thomas sprach: „Lasst uns mit Ihm gehen, um mit Ihm zu sterben“ (Joh 11,16). Und wir fügen hinzu: „…und um Seine heilige Auferstehung zu schauen.“ Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester