Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Christus ist auferstanden!
In unserer gefallenen Welt geht der Glaube an Gott immer durch den Kampf mit Zweifeln – an Ihm, an uns selbst, an anderen Menschen. Und so ist es kein Wunder, dass wir am ersten Sonntag nach Ostern die Erzählung von Thomas hören, der „Ungläubige“ genannt wird (Joh 20,19–31). Sie erinnert uns an eine harte Wahrheit: Selbst die engsten Jünger Christi, die Ihn täglich sahen und Seine Wunder erlebten, blieben von Zweifeln nicht verschont.
Die Jünger hatten sich in einem Haus versammelt und die Türen aus Furcht vor den Juden verschlossen. Alles schien darauf hinzudeuten, dass die Mächte, die sich gegen Christus erhoben hatten, gesiegt hatten. Christus war gekreuzigt, gestorben und begraben worden. Doch in diesen verschlossenen Raum voller Angst tritt Jesus, stellt sich in ihre Mitte und spricht: „Friede sei mit euch!“
Die Türen bleiben verschlossen, niemand klopft, niemand öffnet – und doch steht Christus plötzlich mitten unter ihnen. Er bringt Seinen Jüngern den Frieden.
Nur einer von ihnen war damals nicht dabei – Thomas, genannt Didymus (der Zwilling). Als die Jünger ihm später berichteten, sie hätten den Herrn gesehen, zweifelte er. Er stellt eine Bedingung für seinen Glauben: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, glaube ich nicht.“
Er ist nicht bereit, nur deshalb zu glauben, weil andere es sagen. Er will einen lebendigen, persönlichen Glauben, der nicht bloß auf fremdem Zeugnis beruht. So wie einst der Vater des besessenen Knaben ausrief: „Ich glaube, Herr! Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24), so äußert auch Thomas seine Zweifel. Sein Verlangen, sich zu vergewissern, ist ein Verlangen nach einer lebendigen Begegnung mit Gott.
Thomas ist keineswegs schwach im Glauben. Man nennt ihn „ungläubig“, doch in Wahrheit erinnert er uns daran: Im geistlichen Leben geht es nicht nur um Glauben, sondern auch um Unterscheidung und Prüfung, um nicht in Täuschung zu fallen. Denn der Herr selbst warnte: „Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus! oder: Da!, so glaubt es nicht.“ (Mt 24,23).
Der Zweifel des Thomas ist kein Einzelfall. Schon zu Beginn des Evangeliums antwortet der Apostel Nathanaël voll Misstrauen auf Philippus‘ Zeugnis über Christus: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Philippus streitet nicht, er beweist nichts – er lädt einfach ein: „Komm und sieh!“ (Joh 1,46). Und als Nathanaël Christus begegnet, ruft er aus: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes!“ (Joh 1,49). Ebenso bekennt Thomas, als er den Herrn sieht: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). In beiden Fällen offenbart die Begegnung mit der Person Christi die Wahrheit.
Glaube und Zweifel sind also keine Feinde, sondern Wegbegleiter. Gerade der Zweifel kann zu einem gefestigten Glauben führen. Skepsis kann heilsam sein – wenn sie nicht von Christus weg-, sondern zu Ihm hinführt. Und die beiden tiefsten Glaubensbekenntnisse im Evangelium – die des Nathanaël und des Thomas – erwuchsen aus anfänglicher Unsicherheit, die durch die Begegnung mit dem Herrn selbst zum Glauben wurde.
Beachten wir auch, dass die Jünger Thomas nicht wegen seiner Zweifel verstoßen haben. Sie werfen ihn nicht hinaus, sie machen ihm keine Vorwürfe, sie schließen ihn nicht aus. Eine Woche später ist er immer noch bei ihnen, als Christus erneut kommt und sich direkt an Thomas wendet. Er tadelt ihn nicht, sondern nimmt sein Verlangen nach Gewissheit an – so wie Er einst Nathanaëls Suche annahm.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wie sollen wir mit denen umgehen, die zweifeln, die suchen, die noch nicht glauben können? Wenn solche Menschen dennoch in die Kirche kommen, sollen wir sie mit Liebe aufnehmen. Wenn unser Zeugnis schwach sein sollte, wird Christus selbst zu ihnen sprechen. Jeder von uns könnte an der Stelle des Thomas, des Nathanaël oder der anderen Jünger stehen. Wir zweifeln, wir suchen, wir stellen Fragen. Und es ist besser, zu zweifeln und im Glauben zu wachsen, als bloß religiöse Rituale zu erfüllen. Und wenn wir in der Kirche bleiben, in der die Erinnerung an den Auferstandenen Herrn lebendig ist – dann kann auch uns Derjenige besuchen, der in verschlossene Herzen eintritt und spricht: „Friede sei mit euch.“ Amen.
Christus ist auferstanden!