Patriarch Kyrill

Osterbotschaft seiner Heiligkeit, des Patriarchen Kyrill, an die Erzpriester, Hirten, Diakone, die Mönche und Nonnen und alle gläubigen Kinder der Russischen Orthodoxen Kirche

Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat
durch Jesus Christus, unseren Herrn.
(1 Kor. 15:57)

Im Herrn geliebte hochgeweihte Bischöfe, ehrwürdige Priester und Diakone, ihr gottliebenden Mönche und Nonnen, liebe Brüder und Schwestern!

An diesem großen und lichten Tag beglückwünsche ich euch alle zum Pascha des Herrn und begrüße einen jeden mit den alten und heiligen Worten:

Christus ist auferstanden!

Diese Worte, mit denen die Menschen einander bereits seit Jahrhunderten in den lichten Ostertagen begrüßen und mit denen sie gegenüber der Welt die Wahrheit des Ereignisses bezeugen, das sich vor zweitausend Jahren ereignet hat, enthalten eine große innere Kraft. Sie beinhalten die Kunde vom Sieg, eine Aufforderung zur Freude, Friedenswunsch, Hoffnung und Trost für jeden Menschen.

Der, welcher von der Allreinen Jungfrau Maria geboren ist, der, welcher schwer und schuldlos gelitten hat, gekreuzigt wurde und inmitten zweier Räuber am Kreuz starb, der ist der erste unter den Menschen, der von den Toten auferstand. “Er ist auferstanden, wie Er gesagt hat” (Matth. 28:6). Das Grab ist leer. Dort verbleiben lediglich die Tücher, in die Sein Leib eingehüllt war. Die Myronträgerinnen, welche “in aller Frühe …, als eben die Sonne aufging” (Mk. 16:2) zu der Stelle kamen, an der man den Herrn begraben hatte, fanden Jesus dort nicht vor, denn weder der vor das Grab gewälzte Stein, noch die dort aufgestellte Wache, nicht einmal der Tod selbst können der großen Kraft des lebendigen Gottes entgegenstehen. “Die Unterwelt sperrt ihren Rachen auf, maßlos weit reißt sie ihr Maul auf” (Jes. 5:14), der triumphierende Hades stand schon bereit, seinen mächtigsten Feind zu verschlingen, doch stattdessen erstarrt er im Entsetzen, denn das Licht der Gottheit blendete ihn. Christus vernichtete die Verderbnis und zerstörte den Tod. Durch den ersten Menschen, der seinen Schöpfer missachtete und von der Quelle des ewigen Lebens abfiel, kam das Böse in die Welt und die Sünde regierte fortan unter den Menschen. Christus aber, der “letzte Adam” (1 Kor. 14:45), besiegte den geistlichen, seelischen und auch körperlichen Tod. “Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden” - so bezeugt es der Apostel Paulus (1 Kor. 15:22). Alles, was wir im ersten Adam verloren haben, bekommen wir erneut in Christus geschenkt. Das Pascha des Herrn ist wahrhaftig die größte unter den Gaben der göttlichen Heilsordnung (hl. Theodor Studites).

Indem Er die Entfremdung des Menschen von Gott überwand, schenkte uns der Heiland die Möglichkeit, mit Ihm in eine Verbindung einzutreten. Es ist, wie der heilige Johannes von Damaskus sagt, so, dass das Kreuz Christi uns “die Auferstehung geschenkt …, das Paradiesestor geöffnet, unsere Natur zur Rechten Gottes gesetzt, [und] wir Gotteskinder und Erben” geworden sind (Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens, IV:3). Wir alle sind berufen, uns dieser Gabe würdig zu erweisen.

Der Sohn Gottes nahm unsere Natur an und ist uns in allem gleich geworden, mit Ausnahme der Sünde. Durch Sein irdisches Leben und die Kreuzesleiden gab Er ein Beispiel größter Demut und Gehorsams dem Göttlichen Vater gegenüber, ein Beispiel für den Kampf mit Versuchungen und Verlockungen; durch Seine Auferstehung sprengte Er die Fesseln der Sünde und gab uns Kraft und Mittel, das Böse zu besiegen. Dieser Kampf ist es, in dem der Mensch geistlich wächst und zu einer vom moralischen Gesichtspunkt wirklich freien Persönlichkeit wird.

Wir leben in einer Zeit, in der Freiheit oftmals so ausgelegt wird, als bedeute diese, alles sei erlaubt. Viele sind der aufrichtigen Meinung, dass allein Macht und Reichtum, Gesundheit und körperliche Kraft dazu imstande sind, Freiheit zu bringen, sie konkurrieren im Dienst an den Götzen dieser Welt und haben dabei im Wichtigsten, nämlich beim Finden des eigentlichen Daseinsziels, oft das Nachsehen. Der vom Grabe auferstandene Heiland schenkt uns Freiheit und offenbart dieses Ziel, welches darin besteht, die Wahrheit zu erkennen (vgl. Joh. 8:32) und in Gott zu leben.

Den leiblichen Tod vernichtend, hat Christus uns das ewige Leben versprochen, doch nicht etwa als eine endlose Verlängerung des irdischen Wegs, sondern als Verklärung des gesamten menschlichen Wesens, bei der selbst der Leib neue Eigenschaften bekommt. In der Auferstehung Christi wird uns auf geheimnisvolle Weise ein Archetyp auch unserer eigenen, kommenden Auferstehung gezeigt. Im kommenden Himmlischen Reich, wo es weder Tod, noch Krankheit, noch Trennung, ja nicht einmal die Zeit geben wird, wird Gott “alle Tränen von den Augen abwischen” (vgl. Offb. 21:4), die Freude geht nicht zu Ende, und die Liebe währt ewig. Des Herrn Sieg über den Tod gibt uns die unerschütterliche Hoffnung, dass auch wir nach Ihm bei Seiner Wiederkunft in Herrlichkeit zu einem neuen Leben auferstehen - zu einem Leben in ständiger Gemeinschaft mit Ihm.

Wir wollen die Freude über unseren auferstandenen Heiland mit all denen teilen, die der Aufmerksamkeit und Fürsorge bedürfen: mit den Kranken, Alten, Leidenden, den Mutlosen, den in Gefangenschaft schmachtenden, mit den Menschen, die der Mittel und eines Obdachs beraubt sind. Tun wir es den Augenzeugen der Auferstehung, den heiligen Aposteln, gleich und verkündigen den Nahen und Fernen mit Glauben und Mut die gute Nachricht davon, dass Christus wahrhaftig auferstanden ist! Amen.

Moskau
Fest der Auferstehung Christi 2013